Unsere Buchempfehlungen
Jakob Hein, Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste

Roman
Preis: 23,00 €
ISBN: 978-3-86971-316-8
Kunstvolles Warten und politische Ökonomie – oder: Geschichtsunterricht kann auch Spaß machen
Anfang der 80er Jahre beginnt für den Absolventen der „Hochschule für Ökonomie Bruno Leuschner“ Grischa Tannberg die berufliche Laufbahn in der staatlichen Planungskommission Berlin Leipziger Straße im 5. Stock. Zusammen mit seinem Vorgesetzten Ralf Burg soll er die außenwirtschaftlichen Beziehungen zum Brudervolk in Afghanistan ausbauen.
Doch Burg erklärt ihm zu allererst, dass es mit den Afghanen wenig zu handeln gibt, da weder Industrie noch exportfähige Landwirtschaftsprodukte vorhanden sind, und führt ihn in die hohe Praxis des kunstvollen Wartens ein. Das hatte sich Grischa aber anders vorgestellt.
Er entdeckt beim Einlesen in die Landeskunde, dass Afghanistan durchaus wertvolle Produkte zu bieten hat, die im Westen schwer begehrt sind, aber nur auf verschlungenen und nicht legalen Wegen dorthin gelangen. Es entsteht ein Plan. Und da eine Außenwirtschaftsabteilung durchaus auch für die Beschaffung der ständig raren Devisen zuständig ist, reist bald eine Geheimdelegation nach Kabul, um eine direkte Belieferung mit Cannabis auszuhandeln.
Im Niemandsland der GÜSt (Grenzübergangstelle für die Jüngeren) Invalidenstraße entsteht der Laden der „Deutsch-Afghanischen Freundschaft“, in dem die Westberliner nach Zahlung des Eintrittsgeldes von 25,00 DM neben Mützen, Schals, Jacken vor allem preiswertes Marihuana allerbester Qualität einkaufen können. Das dies zu politischen Aufregungen führt, verwundert nicht.
Mit dieser humorvoll-satirischen Fiktion blickt Jakob Hein auf die Absurditäten deutsch-deutschen Beziehungen zurück, auf Zustände, die man aus heutiger Sicht gar nicht mehr glauben kann. Aber wäre es andererseits nicht tatsächlich friedlicher geworden, wenn der Plan Wirklichkeit gewesen wäre? So bleibt im Geschichtsbuch also immer noch die Frage: warum hat F.-J. Strauss damals der DDR den Milliardenkredit zugesagt.
Richard Schuberth, Bus nach Bingöl

Roman
Preis: 21,00 €
ISBN: 978-3-85435-944-9
Gibt es die Kurden und wenn ja, wer ist dann eine/r?
Können Sie sich noch erinnern, wie Ursula von der Leyen im Kampfanzug die kurdischen Peschmerga als unsere Kämpfer gegen den IS mit Waffen ausrüstete? Davon will heute niemand mehr etwas wissen. Im Gegenteil: Erdogans Truppen dürfen ungestraft „Schutzzonen“ auf syrisch-kurdischem Gebiet für sich reklamieren und Ansätze von autonomer Selbstverwaltung unter ihren Stiefeln zertreten. Hierzulande hat nur noch eine verbotenerweise gezeigte PKK-Fahne Nachrichtenwert.
Zeit also mit Richard Schuberth in den „Bus nach Bingöl“ zu steigen und ins ostanatolische Siedlungsgebiet eines Teils derer zu reisen, die wir unter dem Sammelbegriff „Kurden“ kennen.
Die Handlung ist schnell erzählt: Ahmet Arslan, in seiner Jugend im Kampf gegen die Militärjunta, verhaftet, gefoltert und eingesperrt, lebt seit Jahrzehnten im österreichischen Exil und reist noch einmal in seine Heimat, die kurdische Provinz Dersim. Verschiedene Mitreisende spiegeln mit ihren Schicksalen Aspekt und Blicke auf die „Kurdenfrage“. Vollends aber zerschellt Ahmets heroisierende Heimatliebe am täglichen Kampf ums Überleben in seinem Heimatdorf. Alte wie junge Bewohner des Dorfes beäugen den Heimkehrer skeptisch, die Missverständnisse aufgrund lebensgeschichtlicher Prägungen erschweren die (Wieder)Annäherung. Geschichten, Reflexionen, Gespräche umkreisen die ewigen Fragen von Identität, Ethnizität und Zukunftssorge. „Im Gefängnis haben sie mich als Kurden geschlagen. Seitdem bin ich einer“ ist nur eine von vielen plausiblen Antworten.
Einfühlsam, liebevoll und bisweilen sarkastisch (wenn z.B die selbstgerechten Vollkornsozialisten ihre wohlfeile Solidarität um die Ohren gehauen bekommen) erzählt Schuberth von Gefühlswelten, die auch um die Ecke beim Kuaför spürbar sind, wenn man sich Mühe gibt sie zu registrieren.
Seltsam unverbunden endet der Roman im 7. Kapitel mit der „Geschichte zweier Esel“. Als Einzelstück äußerst bewegend und in bester Erzähltradition wirkt sie doch etwas